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KASACHSTAN 2
Kzyl-Orda
Aralsk
Karabutak
Uralsk
Saratov
 
 
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Montag 11. Juni 2007
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Aralsk - Irgiz - Karabutak
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von
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nach
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Dauer h
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Fahrt h
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Stand h
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km
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Ø km/h
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Ø in Fahrt
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C2-Aralsk
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Camp3-Aktobe
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15,3
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10,0
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5,3
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484
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32
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48
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Der Weg, dem wir gestern entlang der Bahnlinie Richtung Nordwesten gefolgt waren, ist, wie es aussieht, diejenige Strecke auf der wir eigentlich zum Kaspischen Meer fahren wollen. Von hier bis zur Wolgamündung bei Astrachan wären es noch ca. 1000 km. Wenn diese ziemlich üble, sandige Piste so weiter geht, und alles spricht dafür, schätzen wir die Fahrzeit bei diesen Streckenverhältnissen auf etwa drei bis vier Tage. Das wollen wir uns nicht antun. Die Route wird geändert.
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Wir beschließen, lieber die gute Stunde Fahrzeit zurück zur Hauptstraße zu opfern. Dann werden wir Aktobe eben in einem etwas weiter nord- östlich verlaufenden Bogen ansteuern und von dort weiter nach Westen fahren. Gegen neun Uhr brechen wir auf. Kurz hinter dem gestern schon passierten Dorf stehen zwei einheimische Motorradfahrer. Nach der üblichen „Hand-und-Fuß“-Unterhaltung gibt uns einer zu verstehen, wir sollten ihm fol- gen. Er wirft seine russische Isch an und heizt den 350er Zweitaktkracher volles Rohr durch die Pampa.
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Stellenweise fliegt er mit 80–100 km/h über die zerfurchte und partiell glitschige Piste, wie Archie auf seinem Tacho sieht. Er versucht ihm auf den Fersen zu bleiben, aber selbst er, der alte „Rennfahrer“; schafft es nicht wirklich. Wir haben zwar eindeutig mehr Power unter dem Sattel als der Junge mit seinem DKW-Nachbau, müssen aber dafür, aufgeladen wie wir sind, drei bis vier Zentner mehr auf Kurs halten. Da freut sich unser Kamerad, dass er es den dicken Brummern „mal ordentlich gezeigt hat“. Ohne Ohren würde ringsum grinsen.
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Auf der groben Schotterstrecke geht’s zurück zur Hauptstraße. Und da wir nicht grad langsam unterwegs sind fliegen die Kiesel nur so in die Gegend. Einmal war Archie zu dicht hinter mir und hat eine Ladung Granitschrot abgekriegt. Trefferstellen: linker Handschuh und Scheinwerfer, gibt einmal „autsch!“ und einmal Loch im Glas. Sorry!
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Die ersten 80 km auf der Hauptstraße nach Norden haben wir praktisch eine private Auto- bahn, null Verkehr und landesuntypisch gute Oberfläche. Kurz drauf verstehen wir auch, warum hier nichts mehr los ist. Denn jetzt beginnt sie, die „Straße des Todes“ wie sie unsere Jungs vom „Long- Way-Round” bezeichnet haben. Na ja, ist sicherlich reichlich übertrieben, wir hatten schon Übleres unter den Rädern. Aber eine Scheißstrecke ist das trotzdem. Und vor allem fast endlos. Wenigstens vergisst man dabei die eintönige Steppe.
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Die „Strasse“ fordert volle Konzentration. Von der ehemaligen Teerdecke sind nur noch Fragmente erhalten, die einzig als Rahmen für die Badewannen-tiefen Löcher dienen. Der Rest der Piste sieht in etwa so aus, wie man sich den Ho-Chi-Minh-Pfad nach 10 Jahren amerikanischer Bombardierung vorstellt. Eine einzige Aneinanderreihung von Trichtern, Buckeln, Löchern, Kanten, Absätzen, Rinnen und allen sonst noch denkbaren Widrigkeiten. .
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Auch wenn man mit einem einspurigen Motorrad wohl besser dran ist, als mit einem Auto, irgend- wann gelingt es nicht mehr auszuweichen und man kracht dann in ein Loch. Es sind einfach zu viele Die Gabel schlägt dann fast bis auf die Vorderzähne durch. Arme Kuh. Zum Glück ist es wenigstens trocken, bei Regen würde der jetzt steinhart getrocknete Schlamm zur Schmierseife. Das würde dann unfahrbar werden.
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Zweieinhalb Stunden benötigen wir bei mutiger Fahrweise für die nächsten 125 km. Dann kommen wir an einer „Straßenkreuzung“ bei Irgiz zu einem „Rasthof“. Der besteht aus ein paar Hütten und den er- sehnten großen Tankbehältern. Sieht alles ziemlich heruntergekommen und ver- lassen aus, aber ein paar LKW stehen vor der windschiefen Hütte, die als Kneipe dient. .
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Hier finden wir auch den Tankwart. Benzin hat er nur in Kanistern, in den Kesseln befindet sich ausschließlich Diesel. „Wucherartige“ 100 Tenge (ca. 62 Cent) pro Liter nagelt er uns ab. Die Monopolstellung macht‘s möglich. Ist doch immer wieder überraschend, wie schnell sich solch kapitalistisches Gebaren in den ehe- mals sozialistischen Ländern verbreitet. Manche Dinge lernen sie einfach schnell.
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Wir holpern weiter über die Katastrophen- strecke. Oft ist es sogar besser nebenan auf den Weichsandpisten zu fahren, als auf der soge- nannten „Straße“. Nach dreieinhalb Sunden Schüttelei und Slalom- fahrt um Millionen Buckel und Löcher haben wir auch diesen 140 km langen Abschnitt erfolgreich hinter uns gebracht und endlich wieder ordent- lichen Asphalt unter den Rädern. Nach über 250 km Holter-di-Polter ein Genuss! Eigentlich ein eigenartiges Gefühl auf einmal wieder ruhig dahin zu rollen.
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Der nächste Ort ist Karabutak. Nur ein kleines Drecksnest, es gibt weder eine Kneipe noch eine Gostinica. Wir irren zweimal durch das Kaff und finden schließlich einen Mini-Laden, in dem wir uns mit Proviant fürs heutige Camping eindecken können. Bis nach Aktobe ist es uns heute einfach zu weit, mehr als 200 km Luftlinie zeigt das GPS noch an. Am Ortsausgang ist auch noch eine Tankstelle, um die Kühe zu füttern. Nach dem Zapfen zünde ich mir, ca. 5 m von den Säulen entfernt, eine Zigarette an. Archie ist beim Zahlen.
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Plötzlich kommt der Tankstellenwachmann, ein ziemlich besoffener Halbstarker mit blutunter- laufenen Augen, aus seinem Kabuff gewankt, hält mir allen Ernstes eine geladene Kalasch- nikow unter die Nase, reißt mir die Zigarette aus der Hand und trampelt darauf rum. Eigentlich hätte ich gute Lust ihm meinen Helm auf seinen dummen Grind zu hauen, aber bei seinem stark alkoholisierten Zustand und mit einer Maschinenpistole in seiner Hand lasse ich das lieber bleiben. Es gibt Situationen, die muss man nicht aus- reizen. Nix wie weg hier.
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Es ist gar nicht so einfach im fast baumlosen Flachland einen halbwegs geschützten Platz zu finden, aber ca. 40 km weiter, liegt rechts ein kleines Hügelgelände. Sieht aus wie eine überwachsene, alte Abraumhalde. In einer Mulde findet sich auch eine geeignete Stelle um das Zelt aufzustellen. Einigermaßen eben, im Windschatten und von der Straße aus nicht einzusehen. Wenn man sich auf den Präsentierteller stellt, hat man sicherlich keine Ruhe vor ungebetenen, neugierigen Besuchern.
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