QR-Home
Kharkhorin - Camp 3
BERGE
Bayankhongor
Changai1
Changai2
Tsetserleg
Camp3
Camp4
Ulan-Bator
 
 

Montag 18. September 2006
 Tsetserleg - Camp 3


So gegen 9:00 bumpert es an unserer Tür. Suzane hat freundlicherweise den Weckdienst übernommen.
Wir wollen uns nebenan in der gestern geschlossenen, original-englischen Fairfield- Bakery zum Frühstück treffen.
Dort ist schon ganz schön was los. Eine Horde Finnen?? sitzt dort und unterhält sich angeregt. In dem kargen, etwa Klassenzimmer großen Raum dröhnt das, als ob dort 50 Mann säßen.
Mit dem Frühstück gibt es ein kleines Problem. Obwohl wir in einer Bäckerei sind, ist angeblich das Brot aus!

Tsetserleg

Aber irgendwie hat das die hier recht nette Bedienung wohl falsch verstanden.
Wir bestellen aus der reichhaltigen Auswahl ein handfestes englisches Breakfeast mit Ei und Sausages. Nicht gerade mongolisch billig, aber nach einem Bier-Abend einfach wunderbar.
Insbesondere unsere Frankfurter, die gestern beim Dinner deutlich zu kurz gekommen waren, futtern als ob es morgen nichts mehr gäbe.
Zurück auf den Zimmern zücken Suzane und ich unsere Notebooks und beginnen die Bilder der letzten Tage auszutauschen.

Wenn man die Ausbeute aus 3 Kameras zusam- menmischt, kommt ganz nett was dabei raus. Archie und Michael gehen runter an die Fahr- zeuge um irgendwas zu schrauben. Tulul, der Hotelbesitzer kommt auch dazu und kann sich, als ihn Archie mal draufsetzen lässt, von den BMWs kaum mehr trennen. Am liebsten würde er sie ihm gleich abkaufen.
So kurz nach 12:00 ist die Rechnung bezahlt, das Gepäck nach unten getragen und aufgeladen.
Wir können los. Noch nicht aus dem Ort heraus, zuerst gehen wir einkaufen.


Gleich um die Ecke ist das lokale Shopping- Center.
Nein, kein monströser Konsum-Tempel mit endloser Glasfassade, sondern nur ein großes, zweigeschossiges Haus im dem mehrere Läden untergebracht sind. Unten drei mit Lebensmitteln und in der oberen Etage zwei Geschäfte die Haushaltsgegenstände und Bekleidung anbieten.
Alles wie immer leicht im Verfallen begriffen und einen gewissen morbiden Charme verströmend. Wir bekommen von „A“ wie Äpfel bis „Z“ wie Zigaretten fast alles.
Frisches Grünzeug gibt es aber nur zwei Stras- sen weiter auf dem Markt, wird uns erklärt.

Toulol

Suzane und Michael, unsere Vegetarier, werden das mit dem Markt übernehmen, wir wollen unter- dessen Sprit nachfüllen.
Die Zapfsäulen der ersten Tankstelle sind noch fabrikneu verpackt, also geht’s 500m weiter zur nächsten. Und weil wir hier in einer richtigen Stadt sind, können wir die Kühe mal wieder mit gutem 93-Oktan Sprit versorgen. Irgendwie läuft der Motor doch runder, als wenn zur Hälfte oder gar zu Zweidritteln 80 Oktan Fusel beigemischt ist. Aber bis jetzt haben die guten alten 1-Liter- Boxer diese Brühe klag- und schadlos ertragen. Mit modernen Einspritzern, die auf Bleifreies mit mindesten 95-Oktan angewiesen sind, wären wir hier komplett aufgeschmissen.

Tsetserleg neue Tankstelle

Oder „Mammi“ fährt mit eigener Busch- Tank- stelle im Begleitfahrzeug hinterher.
Aber wir heißen ja nicht Ewan McGregor und haben ein mittleres Filmproduktionsteam dabei und wir wer- den (leider) auch nicht von BMW gesponsert.
Nachdem wir als Treffpunkt eigentlich die obere Tankstelle ausgemacht hatten, zücken wir unser mongolisches Handy und rufen die beiden ande- ren an, die auch ein Mobiltelefon mit lokaler SIM- Karte haben.
Sehr angenehm! So kostet uns der Anruf doch stolze 2 Cent pro Minute (Cent nicht Euro!). Mit deutschen SIM-Karten hätten wir ca. 5,- Eur für den abgehenden und die anderen ca. 3,- Eur für den eingehenden Call berappen müssen.
Unsere Frankfurter graben anscheinend den ganzen Markt um. Das Gemüse hätten sie schon

Tsetserleg neben dem Markt

bekommen, erfahren wir am Telefon, aber wenn hier schon ein so großer Markt ist wollen sie auch gleich nach einem brauchbaren Kocher suchen. Ok, wir warten.


Wir warten und warten. Ich gehe mal zum Fotografieren an den schräg gegenüber liegen- den Supermarkt mit seinen Verkaufsständen, ich schlendere über den großen Parkplatz direkt neben der Tankstelle, begutachte die 50 in Reih und Glied abgestellten ISH (rot, rot oder rot), beobachte die Mädels vor dem College gegen- über, aber M+S tauchen nicht auf.
Auch der C hat schon kurze Füße vom Warten und dreht seinerseits eine Runde durch die nähere Umgebung. Nicht, dass es langweilig ist, es gibt viel zu sehen.
Auch hier, außerhalb des eigentlichen Markt- gebiets herrscht reges Treiben.

Tsetserleg neben dem Markt

Ein Polizist trillert gelegentlich auf seiner Pfeife, sitzt aber offensichtlich lieber im Schatten.
Ein Nomade bewacht seine frisch abgezogenen, blutigen Lammfelle, die in einem großen Haufen vor ihm liegen, ein anderer stolziert mit einem riesigen Yak vorbei, Pickups liefern und transportieren ab.
Uns aber zieht es eher wieder hinaus in die wunderbare Stille und Leere der weiten mongo- lischen Steppe.
Und Fahren macht im Zweifelsfall einfach mehr Spaß als stehen und warten.

Tsetserleg neben dem Markt

Inzwischen ist fast eine Stunde vergangen, da spricht uns während der Warterei ein Mann mit einem Zettel in der Hand an, auf dem ein Bank- name und etwas von einer Kreditkarte steht.
Weil Ausländer hier sehr selten anzutreffen sind und wir mit unseren Motorrädern außerdem auf dem Markt etwa genauso „unauffällig“ sind, wie mit einem Ufo am Stachus, hat er assoziiert, dass wir zu den beiden gehören müssen, die beim Geldholen auf der Bank ihre Kreditkarte verges- sen haben. So hat er uns das jedenfalls mit Händen und Füßen zu verstehen gegeben.

Kontrollanruf bei Suzane, ob sie diesmal wieder eine vornehme Blässe ins Gesicht bekommt kön- nen wir leider nicht sehen, aber es waren tat- sächlich sie, die Ihre Karte haben liegen lassen.
Kurz darauf tauchen unsere Frankfurter leicht erschöpft vom Einkaufen auf. Einen geeigneten Ersatz für ihren defekten Benzinkocher haben sie leider auch nicht gefunden.
Sie gehen noch zusammen mit dem freundlichen Menschen zurück zur Bank, um die vergessene Karte abzuholen, dann geht’s endlich auf nach Kharkhorin, 108 km Luftlinie sagt das GPS.


Tsetserleg neben dem Markt Tsetserleg neben dem Markt

Kurz nach dem Ortsende von Tsetserleg der obligatorische Fotostopp am Tor der Stadt- grenze.
Wir sind auf einer Strasse! Einer richtigen Strasse! Und geteert ist sie auch noch! Ein völlig neues Fahrgefühl! Mit Ausnahme der 20 km vor Bayankhongor, die erste richtige Teerstrasse seit 1500 km!
Als wir den Fluss, den wir seit gestern aus den Bergen heraus begleitet hatten, erneut kreuzen, haben wir auch eine richtig stabile Betonbrücke unter uns, keinen hölzernen Wackelpudding. Sogar ein Geländer haben sie dran geschraubt!

Tsetserleg

Aber allzu lange wärt auch hier die Freude nicht. Schon bald ist der Asphalt zu Ende und es wechseln Abschnitte mit Schotter und der nur zu gut bekannten Piste. Aber immerhin, es wird gebaut. In ein paar Jahren, falls die Bauge- schwindigkeit größer als der Verfall sein sollte, könnte es eine richtige Strasse werden.
Wir kommen recht gut voran und machen Strecke.
An einem der neueren, frisch geschotter- ten  Abschnitte, ich traue meinen Augen nicht, steht ein Wegweiser! So ein richtig großes Schild! 69 km geradeaus nach Kharkhorin, 61 km links nach Ugiinuur und nach Tuyshruuhleh 10 km rechts. Faszinierend! Das zweite außerhalb von Ulan- Bator, das wir entdecken!
Ein paar Kilometer weiter teilt sich die Piste und natürlich gibt es dort kein Schild.

Piste

Nur Strassen werden offensichtlich mit Wegweisern geadelt. Wir entscheiden uns für den Track entlang der Strommasten.


Es geht einen Buckel hinauf und direkt hinter der Kuppe steht ein VW-Bus ähnlicher, russischer Kleintransporter, hoch aufgebockt mit defektem Antrieb.
Die Schrauben, die das Differential zusam- menhalten haben sich gelöst und die Hinter- achse hat im wahrsten Sinne des Wortes die Grätsche gemacht.
Darunter liegt ein junger Mann der versucht, das ganze auszubauen. Dahinter sitzt eine Frau, die Chefin wie es aussieht, neben einem gigan- tischen Berg aus Bier- und Wasserkisten, der wohl vorher irgendwie in diesem Fahrzeug untergebracht war.

Strassenschild !!

Wir halten an und sehen, ob wir was helfen können. Archie und Micha, die Profis, sind aber der Meinung, dass da ohne geeignete Ersatzteile nichts zu machen sei.
Die Frau lädt uns zu einem Schluck Bier ein, dem sie, ihrer Fahne und Artikulationsweise nach, selbst schon heftig zugesprochen haben muss.
Um dem Ritus der Gastfreundschaft genüge zu tun trinken wir jeder einen kleinen Schluck und schauen, dass wir weiter kommen.
Wir schauen auch deshalb, dass wir weiter- kommen, weil der Junge den Bus so labil aufgebockt hat, dass jedem deutschen Berufs- genossenschaftler wahrscheinlich vor Schreck das Herz stehen geblieben wäre.
ICH hätte mich da nicht drunter gelegt!

Achsbruch

Und wenn der Bub vom Bus zerquetscht wird, muss ich nicht unbedingt daneben stehen….


Wir hoppeln auf den Waschbrett-Pisten und-Strassen weiter.
Auf einmal stoppt der C und baut seine Sitzbank ab. „Dachte ich mir´s doch“ murmelt er.
Der hintere Rahmenausleger seiner guten R100R ist auf beiden Seiten gebrochen. Aufgenudelt und zerschüttelt.
Irgendwann gibt auch das beste Material nach. Nachdem es aber nicht der Fahrwerksrahmen ist, kommen einfach zwei kräftige Spanngurte mehr zum Einsatz und stabilisieren das Ganze wieder. Von so was lässt der C sich nicht aufhalten.

Piste

Einziges Zugeständnis: Die schwere Gepäck- rolle, wird in den Landrover umgeladen.
Eine Stunde später sind wir fast in Kharkhorin angelangt. Es wird Zeit nach einem „Camping- platz“ zu suchen. Und obwohl eigentlich die ganze Mongolei ein einziger, riesiger Camping- platz ist, zelten ist überall erlaubt, so ist uns doch nicht jeder Platz schön genug.
Rechts der Strasse, hier ist es mal wieder eine, sind eigentlich ganz nette Hügel, aber in jedem der kleinen Täler steht mindestens ein Ger mit Schafstall.
Kein Garant für eine ruhige, ungestörte Nacht.

Piste

Zu unserer Linken geht es ein 15m hohes Steil- ufer hinab, das eine kilometerbreite Schwemm- ebene mit den sommerlich kargen Resten eines Flusses begrenzt.
Als wir einen Weg entdecken, fahren wir hin- unter.
Unten noch ein kurzes Stück im Schotter entlang, bis wir bei einer seltsamen, vertrockneten Busch- steppe ankommen. Hier wird Anker geworfen.
Ein fast idealer Flecken. Uneinsehbar von der oben verlaufenden Trasse und genügend Feuerholz in Griffweite.

Camp3 bei Kharkhorin

In 10 Minuten steht das Zelt und nach weiteren 5 Minuten lodert in der, aus dem kiesigen Boden ausgehobenen Mulde ein schönes Lagerfeuer.
Suzane die Ober-Gemüse-Schnippelmeisterin hatte unterdessen die Zutaten für die „sibirische Reispfanne“, so nannte sie ihre Komposition, fertig geschnippelt und nach weiteren 20 Minuten war das Abendessen fertig.
„Wenn das so weiter geht machen wir in einer Woche einen Schnellimbiss auf“ meinte Archie in seiner trockenen Art. Was ich mit meinem „Was machen wir nur mit dem angebrochenen Abend“ kaum kontern konnte.

Camp3 bei Kharkhorin

Aber es gab genug zu tun. Michael und Suzane hatten ihr Auto fast leer geräumt und mussten nach der Schüttelei der letzten Tage mal alles wieder vernünftig einsortieren.
Archie schiente seinen Rahmenbruch mit den beiden Montiereisen, einer Handvoll Kabel- bindern und ein paar Spanngurten. Sitzbank drauf und fertig. Muss das letzte Stück bis Ulan- Bator halten.
Wir haben bis jetzt zum Glück keinen Platten gefahren, und wenn, dann müssen wir das kunstvoll gewobene Stützkorsett eben wieder vorübergehend zerlegen.

Rahmenbruch geschient

Zum Finale gemütliches Feierabendbierchen- trinken rund ums Feuer.
Leider ist uns der Wettergott ausnahmsweise nicht gewogen. Es beginnt in Intervallen zu tröpfeln. Zuerst verstecken wir uns unter Regen- schirm und Regenjacke, aber als es dann ernsthaft zu regnen beginnt, verkriechen wir uns in die Schlafsäcke.
Allerdings zu voreilig, nach 10 Minuten ist der Spuk vorüber. Aber jetzt wieder anziehen und raus, dazu hat offensichtlich keiner mehr Laune. Das Feuer glimmt alleine aus.
Ich kopiere noch die Fotoausbeute des Tages aufs Notebook, dann fallen auch mir die Augen zu. Der C pennt schon eine Weile.

Camp3 bei Kharkhorin
W-previous-button W-home-button W-next-button