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GOBI
Mandalgov
Delgerhangay
Dalandzadgad
Zelt 1
Camp
Zelt 2
Bayankhongor
 
 
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Sonntag 10. September 2006 Dalandzadgad - Yolin Am - Bayandalay
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Aufstehen, packen. Frühstück gibt es keines. Archie macht technischen Dienst. Er kontrolliert die gesamten Ölstände und verstärkt seinen gebrochen Kofferhalter mit einem gefundenen Stück Blech. Wir fahren durch den Ort und suchen einen Shop. Nach einer größeren Stadtrunde findet sich ein kleiner Laden, der auch am Sonntag- vormittag, geöffnet hat. Wir erstehen Wasser, Cola, Schokolade und Snickers. Liebevoll werden die nur leicht angestaubten Flaschen poliert bevor sie auf den Tresen gestellt werden. Ist eigentlich vergebliche Mühe, da wir die Pullen einfach hinten auf die Taschen schnallen und sie so in den nächsten Minuten schlimmer aussehen werden als zuvor.
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Wir tanken (93er!) und verlassen die Stadt nach Westen entlang der schier endlos erscheinen- den Bretterzäune. Am Ortsausgang blockiert mein Hinterrad. Warum auch immer. Archies Verdacht auf Kardanschaden bewahr- heitet sich zum Glück nicht. Das wäre das Ende der Reise gewesen. Einmal vor und zurück geschoben und der Knoten löst sich. Eventuell hatten sich die Gänge verhakt. Ich achte ab sofort auf ganz exaktes Schalten, besonders vom ersten in den zweiten und das Problem taucht auch nicht wieder auf.
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Als die Piste immer mehr nordwestlich verläuft nehmen wir die nächste links in die Berge. Wir wollen zur Yolin Am, der sogenannten Geier- schlucht, die, wie es sich für eine Schlucht gehört, mitten in den Bergen liegt. Nein, Schilder gibt es auch hier nicht. Wir folgen einfach dem „Gummiband“ auf dem Bildschirm der GPS-Geräte, dessen “angebundenes” Ende unser eingegebenes Ziel Bayandalay markiert. Das ”lose” Ende zeigt unseren aktuellen Standort. Damit kennen wir die Richtung und die Luftlinien-Entfernung.
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Ob sich diese Richtung auch einhalten lässt, ist ein anderes Problem und ergibt sich einzig aus den vorhanden Spuren und Pisten. Wir nähern uns dem Gebirge, das von schneebedeckten steilen Felsgipfeln gekrönt ist. Alle so um die 2500 m hoch. Es geht leicht, aber stetig bergauf. 15 km sind es aus der Schwemmebene bis zum Fuß der Berge. Kurze Pause auf einem Hügel. Von hier sehen wir auch mehrere Touristen-Ger-Camps.
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An einer Abzweigung zu so einem Camp hatten wir auch ein „Yolin Am“ (=Geier-schlucht) Schild gefunden und wissen so, dass wir auf der richtigen Strecke sind. Buckel rauf, Buckel runter fahren wir unterhalb der Berge dahin, bis wir zu einer Ansammlung von Gers kommen, alles Touristen-Shops am Eingang zum National-Park „Yolin Am“. Wir erstehen je eine Eintrittskarte für Fahrzeug mit Fahrer zu 3000 Tg (= 2 EUR) und eine Landkarte für ebenso 3000 Tg.
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Landkarte bedeutet nicht, dass es, wie in unseren Breiten üblich, eine maßstabsgetreue Abbildung der geografischen Gegebenheiten ist, sondern eher ein freihändig gezeichnetes „Bilderbuch“. Darin sind zwar auch Berge, Orte und Strassen enthalten, aber wenn ein Weg von A nach B eingezeichnet(!) ist, heißt das nur, dass es eine Möglichkeit gibt von A nach B zu gelangen. Durch die bildhafte Darstellung ist es jedoch auch für Ungeübte leichter sich halbwegs zurechtzufinden. Die Schranke öffnet sich und wir fahren 10 km durch enge Täler bergauf.
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Die Strasse ist in „naturnahem“ Zustand und hat am höchsten Punkt (2400 m) ein Portal. Noch ca. 2 km bis zum Parkplatz. Hier endet die für Touristen erlaubte Fahrstrasse. Bis zum Beginn der Schlucht sind es laut aus- hängendem Plan nochmals über 2 km. Zum Laufen in den schweren Motorrad-Klamotten haben wir keine Lust. Aber es gibt Kamele mit Führer zu mieten. Wir handeln die junge Dame von 8000 Tg auf 5000 Tg (=3,30 EUR) herunter. (Wie ich erst jetzt beim Schreiben auf dem Foto der großen Tafel sehe, kostet ein Camel 4 USD, also etwa soviel wie wir bezahlt haben)
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Sicher wäre noch ein deutlich besserer Preis möglich gewesen, der Touristenandrang ist eher winzig, aber wir wollen es nicht übertreiben. Schließlich lassen wir unsere Bikes mit Sack und Pack, inklusive Helmen hier alleine zurück. Der Vater des Mädchens verspricht auf unser Hab und Gut aufzupassen. So betrachten wir diesen Preis auch als Bewachungsgebühr und bevor sich frustrierte Einheimische an unseren Sachen schadlos halten, zahlen wir lieber etwas mehr. Sind für ja nur geringe Beträge für uns.
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Außerdem wollte ich immer schon mal auf einem Kamel reiten. Auf einem Dromedar bin ich schon mal in Indien gesessen. Wir steigen auf die liegenden Kamele und wie immer erheben sich die Tiere in ihrer unvergleichlichen Art. Und wie immer leicht widerwillig. Unsere Mini-Karawane setzt sich langsam in Bewegung. Das Mädchen vorne weg hält den Strick von Archies Kamel. Archie hält den Strick von meinem. Als er ihn beim Fotografieren mal versehentlich los lässt bleibt mein Trampeltier sofort stehen. So wie die Tot-Mann-Schaltung bei der Bahn.
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Diese Variante ist mir aber auch lieber als wenn es unvermittelt, endlich frei, losgerannt wäre. Apropos Trampeltiere. Die Viecher tragen diesen Namen völlig zu recht. Sie haben zum Einen eine recht harte Gangart und zum Anderen auch einen recht harten Rücken. Nur gepolstert von einer dünnen Decke haben wir deren Rückgrat genau zwischen den Beinen.... An einem Ovoo, der den Eingang zu Schlucht markiert, steigen wir ab und gehen zu Fuß hinunter. Die Felswände kommen stellenweise bis auf 3 m heran und sind 100- 200 m hoch.
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In der Mitte läuft ein kleiner Bach und an einer vor Sonne geschützten Stelle liegt ein kleines Firnfeld mit den Schneeresten des letzten Winters. Alles ganz nett, aber so richtig beeindruckt sind wir als Alpenrand-Bewohner nicht. Soweit wir wissen, ist es möglich durch die ganze Schlucht bis aus dem Gebirge heraus zu wandern. Wir aber müssen zurück zu unseren Fahrzeugen und drehen deshalb nach einer guten Viertelstunde wieder um. Der Souvenir-Verkäufer am Eingang beachtet uns auch diesmal nicht, obwohl ich einen Blick auf sein, allerdings nicht verlockendes, Angebot werfe. Nur Plastikfiguren und grobe Holz- schnitzereien. Beim Hinaufweg gelingt es mir einen der Eich- hörnchen-ähnlichen Nager zu fotografieren, die hier überall herum huschen. Sie sind richtig scheu und offensichtlich noch nicht von den Touristen angefüttert. Das sind aber auch fast die einzigen Tiere, die wir zu sehen bekommen. Keine Geier, nur einige Adler kreisen hoch oben in der Thermik.
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Unsere Kamelführerin zeigt zwar in einer Felswand auf eine „white goat“, die wir aber mit bloßem Auge nicht entdecken können. Erst später, auf einem Foto, das ich pflichtschuldig mit maximaler Brennweite in diese Richtung gemacht habe, können wir in höchster Zoomstufe BRAUNE Ziegen, Gämsen, Antilopen oder was auch immer erkennen. Wir reiten auf den Kamelen zurück zu unseren Bikes.(Oh wie bequem sind doch unsere Sitzbänke!).
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Alles ist noch da. Wir hatten sie mit etwas gemischten Gefühlen zurückgelassen. Helm, Tankrucksack, alles ok. Kurzes Palaver mit den Locals, die auch hauptsächlich mit Motorrädern hier sind. Wir holpern die Strecke zum Entrance zurück. Vorher machen wir einen kleinen Abstecher in ein Seitental und finden oben auf einer Passhöhe einen schönen Ovoo mit blauen und rotem Bändern, sowie mehreren Schafbock- Gehörnen.
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Wir passieren die Schranke und suchen die Strasse nach Bayandalay. Irgendwo muss es über die Berge gehen. Wir fahren nordwestlich an der Hangkante entlang bis zu einem Flussbett in dem viele Fahrzeugspuren zu erkennen sind. Der Fluß ist trocken und entpuppt sich als eine der oberübelsten Waschbrett-Pisten der ganzen Reise. Entweder hat es 30 cm tiefe Riffelung oder fast grundlosen Weichsand. Einen „Tod“ müssen wir hier sterben. Ich hoffe nur, dass mein Notebook diese Schläge überlebt.
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Also freie Routenwahl im Flussbett, die Schläge der Buckel ertragen oder im Sand wühlen ist die Alternative. Endlich geht die Piste heraus. Wir machen kurze Pause und Archie stellt fest, dass sein rechter, hinterer Fußraster fehlt. Abgeschüttelt. Das Problem ist nicht der fehlende Fußraster als solches, sondern die fehlende Schraube, die auch den sowieso defekten Kofferträger hält. Er beschließt zurück in den Canyon zu fahren und nach dem vermissten Teil zu suchen.
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Ich genieße unterdessen die Sonne, rauche und Fotografiere das atemberaubende Schattenspiel der Wolken auf den umliegenden Bergen. Nach 20 Minuten kommt er zurück. Die Fußraste hat er nicht gefunden, aber ein Autowrack, an dem er eine passende Schraube ausbauen wollte. Alles ein Gelump, meint er, die sind schon fast beim Anschauen abgerissen. Also kommen weitere Kabelbinder zum Einsatz.
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Bis Bayandalay gibt es mittelprächtige bis gute Piste. Plötzlich überholt uns ein Einheimischer auf einem Motorrad. Die meisten heizen hier, als wenn der Teufel hinter ihnen her wäre. Wir lassen uns zurückfallen. Die Staubwolke ist fast undurchsichtig und es fehlt ausnahmsweise der Wind. So kurz nach 18:00 sind wir in Bayandalay und suchen die Tankstelle. Trotz einer dreifachen Runde durchs Kaff, ist auch so ein Nest wie Delgerhangay, lässt sie sich nicht finden. Wir fragen und werden von einer Ecke in die andere geschickt.
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Wie beim Buchbinder Wanninger…. Schließlich haben wir sie doch entdeckt, ein dicker LKW steht breit vor der kleinen Zapfsäule. Ja, es ist wie immer in diesen Nestern. Keine Tankstelle mit riesigen Firmen- und Preis- schildern, die nicht zu übersehen sind, sondern nur eine einsame, kleine, zierliche Zapfsäule, die sich hinter einem LKW gut verstecken kann. Jetzt taucht das nächste Problem auf. Es gibt keinen Strom. Und wenn es keinen Strom gibt, gibt es auch kein Benzin, weil die Pumpe ohne Strom nicht läuft.
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Einige ziemlich betrunkene, aber noch ganz nette Kerle, bewundern unsere großen Motor- räder. Sie warten genauso wie wir auf Sprit. Nach einigem Hin- und Her mit Händen und Füssen, begreifen wir dass sie uns helfen wollen. Sie wollen wissen wie viele Liter wir in unsere Tanks hineinbringen. Wir schätzen über den Tachostand gepeilt, dass wir zusammen so um die 15 Liter nachfüllen können. Aus irgendeinem Tank zapfen sie für uns dreimal einen alten 5l- Ölkanister voll ab. Der Tankwart tippt auf seinem Taschenrechner herum und versucht heraus- zufinden, was er uns jetzt abnehmen könnte. Um erst gar keine Diskussion auf- kommen zu lassen, drücke ich ihm 15.000 Tg (=10 EUR) in die Hand.
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Ist ein angemessener Preis und enthält noch etwas Trinkgeld. 10 Sekunden später zeigt er mir freudestrahlend auf seinem Rechner ebendies als zu zahlenden Betrag an. Leider haben wir keine Bilder machen können, die Jungs waren einfach zu besoffen. Wir wollten unsere, für hiesige Verhältnisse teuren, Kameras keiner Gefahr aussetzen. Zu viele unkontrollierbare Hände befanden sich in Reichweite um unsere Mopeds. Da hier das Wort „begreifen“ noch absolut wörtlich genommen wird, blieben vorsichtshalber alle Taschen und Tankrucksäcke sorgfältig verschlossen. Erleichtert und mit fast vollen Tanks ziehen wir vondannen.
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Weiter geht es westwärts in die Gobi hinaus. Hier in Bayandalay gibt es keine Übernachtungs- möglichkeit und ein Zelt in der Nähe des Dorfes aufzustellen haben wir bei diesen Alkoholikern auch keine Lust. Sie waren zwar alle friedlich, freundlich und hilfsbereit, aber wie das nach der nächsten Flasche Wodka oder morgen mit schlimmem Kater aussehen wird ist kaum vorherzusagen. Wir fahren noch eine gute halbe Stunde in die untergehende Sonne (I’m a poor, lonesome Cowboy).
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Nach 20 km haben wir wohl genug Abstand gewonnen und biegen einfach die nächste Piste rechts hinauf zu den Bergen ab. Zwei Kilometer weiter verlassen wir die Spur und schlagen unser Lager am Rande eines trockenen Bachs auf. Wir packen das neue Zelt aus und stellen es in 5 Minuten wie die Profis auf. Eingang nach Südosten, Rücken zum Wind. Das letzte mal hatten wir vor fünf Jahren im Yellow-Stone NP ein Zelt aufbauen müssen. Die dort angesteuerte Roosevelt-Lodge war noch „closed by season“. Damals war das aber eher ungeplant.
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Diesmal haben wir Verpflegung, Geschirr und Kocher dabei. Geschirr ist etwas übertrieben, genau einen Topf und einen Satz Besteck für jeden haben wir mitgenommen. Muss reichen! Teller und Tassen sind auf Motorrad-Reisen Luxus. Archie nimmt gekonnt den von Tobi geliehenen Benzin-Kocher in Betrieb und teilt sich auch gleich als Koch ein. Schinken-Makkaroni von Knorr stehen als einziges Menü auf der Speisekarte. Inhalt der Tüte ins Wasser schütten, kochen bis die Nudeln zumindest „al dente“ sind, fertig.
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Wir löffeln zusammen aus dem Topf. Schmeckt gar nicht mal so schlecht. Zum Nachtisch teilen wir eine Tafel Schokolade und ein paar Kekse. Wir haben schon für mehr Geld deutlich schlechter gegessen. (Fragt der Wirt den Gast: „Hat’s geschmeckt?“ Sagt der Gast: „Ich habe schon besser gegessen!“ Antwortet der Wirt: „Aber nicht bei mir!“. Standard-Witz in unserer Stammkneipe)
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Langsam geht die Sonne unter und taucht alles in ein warmes Rosa. Um uns herum ist absolute Leere, kein Anzeichen von Zivilisation, nicht einmal ein Ger ist zu entdecken. Als dann der Wind einschläft herrscht Ruhe, absolute Ruhe! Nur die etwa 500 m entfernte Kamelherde gibt ein paar (Verdauungs-) Geräusche von sich).
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So kurz nach 21:00 ist nur noch ein letzter Nachhall des Sonnenlichts am westlichen Hori- zont zu sehen und die Gestirne treten mit aller Macht hervor. Unbeschreiblich! Das Band der Milchstrasse ist wirklich eine Milch-Strasse, so dicht stehen die Sterne. Eine halbe Stunde später geht der Vollmond auf. Es wird fast wieder hell und die Sterne verblassen. Inzwischen ist es auch deutlich kühler geworden. Wir befinden uns auf fast 1600 m Höhe und ein leichter Wind hat eingesetzt. Genug des Naturschauspiels, wir ziehen uns ins Zelt zurück.
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Ich packe mein Notebook aus und zweifle, ob es die heutige Schüttelei und die üblen Schläge überlebt haben wird. Aber brav startet es, als ob es den ganzen Tag nur auf dem Schreibtisch gelegen hätte. Wenn es den heutigen Tag über- standen hat, kann ihm eigentlich nichts mehr passieren folgere ich. Nachts wache ich auf, es friert mich. Mein dünner Schlafsack ist für Temperaturen um den Null- punkt nicht geeignet. Ich ziehe meinen Fleece- Pulli an und lege die auch deshalb mitbrachte Decke oben drüber. Kuschelig warm ist was anderes, aber ich kann in Ruhe weiterschlafen.
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